Die Zeichnung In der Mittagssonne, ebenfalls aus dem Jahr 1915, stellt dem Betrachter gleich drei weitere exotische Lieblingstiere aus der erotischen Menagerie Richard Müllers vor: das stumme Stacheltier, das Gürteltier als ewiger Postillon d´Amour ohne eigene Absichten sowie den steifen Marabu. Besonders dieses symbolträchtigen Vogels bediente sich Müller gerne, stand er doch für einen älteren, wohlhabenden und manchmal auch aufdringlichen Galan, mit frackähnlichem Federkleid, aber bereits kahlem Schädel, der seiner Angebeteten selten ohne Geschenk entgegentritt. In dem Gemälde Auf Freiersfüßen (Abb. 1) von 1922 beispielsweise ist es ein Bouquet roter Rosen, mit dem die nackte Schönheit nun ihr Gesicht verdeckt. Damit nutzte Müller allerdings ein geläufiges Motiv, denn den Marabu findet man bereits bei seinen Lehrern Ernst Moritz Geyger (1861-1941) und vor allem Max Klinger (1857-1920), dessen Gemälde Die Gesandtschaft von 1882 als direkte Inspirationsquelle zu der vorliegenden Zeichnung gelten kann. Diese irritierenden Kompositionen eines schönen, aber freizügigen Weibes mit lüsternen Tieren spielten übrigens 1935 auch eine Rolle bei dem Amtsenthebungsverfahren Müllers als Rektor der Dresdner Akademie durch die Nationalsozialisten.