Der Lesende
  • Richard Müller
  • Tschirnitz / Böhmen 1874 -1954 Dresden
  • Der Lesende, 1917
  • Schwarze Kreide und Bleistift, auf beigem Papier
  • signiert unten rechts: Käthe Kollwitz
  • 393 × 496 mm
Provenienz:
19. Auktion Stuttgarter Kunstkabinett, Stuttgart 1954, Los 1275
Sammlung Moses und Ida Soyer, New York 1959
The Monclair Art Museum, New Jersey 1974-2012
Literatur:
Herbert Bittner: Käthe Kollwitz Drawings, New York 1959, Nr. 69, S. 26 (Abb.)
Otto Nagel: Käthe Kollwitz - Die Handzeichnungen, Berlin 1972, Nr. 737, S. 334, Abb. S. 335

Im Jahre 1917 erhielt Käthe Kollwitz von ihrem Freund Heinrich Mann (1871-1950) die Anfrage nach einem Umschlagentwurf für sein neues Buch Die Armen. Dieser sozialkritische Roman entsprach ganz ihrer Einstellung und so schuf Kollwitz mit unserer kraftvollen Zeichnung ein erstes, intensives Stimmungsbild des tragisch-komischen Inhaltes; ein nachdenklicher junger Mann sitzt am Tisch, über einem aufgeschlagenen Buch sinnend und den Kopf gestützt in beide Hände, jeweils zur Faust geballt. Die flüchtigere Studie einer flach am Kopf gehaltenen Hand auf der linken Seite des Blattes nimmt bereits die endgültige Fassung des selten erhaltenen Schutzumschlages vorweg (Fig. 1).

Der Roman Die Armen ist die unmittelbare Fortsetzung des berühmten Buches Der Untertan von 1914, diesmal jedoch aus der Sicht des Proletariats. Heinrich Mann beschreibt die Raffgier der erneuten Hauptfigur Heßling kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges, der seinen Wohlstand durch Lug und Trug sowie rücksichtslose Ausbeutung der Arbeiter weiter mehren kann. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Entwurf von Käthe Kollwitz um eine Darstellung des Gegenspielers Karl Baldrich, einem jungen Arbeiter, der Jurist werden möchte, um selbst sein Recht gegen den Großindustriellen durchzusetzen.