In der Mittagssonne
  • Richard Müller
  • Tschirnitz / Böhmen 1874 -1954 Dresden
  • In der Mittagssonne, 1915
  • Schwarze Kreide und Bleistift, partiell gewischt, mit Bleistift umrandet, auf festem Papier, alt montiert
  • signiert, datiert und betitelt mit Bleistift unten rechts: Rich. Müller Aug. 1915 / In der Mittagssonne
  • 546 × 386 mm
Ausstellung:
München 1919: Münchner Kunstausstellung, Glaspalast, Nr. 64 Münchner Sezession (laut Aufklebern und Beschriftungen auf alter Montage)

Das enorme Talent Richard Müller wurde früh erkannt und gefördert,1888 bereits an der Schule der Porzellanmanufaktur in Meissen und zwei Jahre später auch als Student an der Akademie in Dresden. Mit 20 Jahren war Müller der jüngste Aussteller der Dresdner Sezession und auch Max Klinger nahm sich seiner wohlwollend an.Wenige Jahre darauf übernahm Richard Müller dann selber das Amt des Direktors der Akademie, welches er erst 1935 auf Druck der Nazis wieder aufgeben mußte, obwohl er eigentlich mit den neuen Machthabern sympathisierte.

Auf der langen Liste seiner Schüler tauchen später so berühmt gewordene Namen wie George Grosz, Bernhard Kretzschmar, Richard Scheibe und Otto Dix auf. Richard Müller selbst vertrat eine Neue Sachlichkeit, die er meist verfremdete und mit eigenwilligen Tieren bevölkerte. Auch die auf diesem Blatt vertretenen Tiere, Marabu, Gürteltier und Stachelschwein, sind auf zahlreichen seiner Zeichnungen wichtige Protagonisten des motivischen Vokabulars.

Dieses große Blatt hat Richard Müller vier Jahre später ohne Veränderungen in relativ kleiner Auflage auch als seitenverkehrte Radierung umgesetzt1. Allerdings war die Existenz der Vorzeichnung Corinna Wodarz bei der Erstellung ihres Werkverzeichnisses von Richard Müller 2002 noch nicht bekannt2. Das Motiv der Darstellung erinnert stark an Max Klingers (1857-1920) Gemälde Eine Gesandtschaft von 18823 und belegt einmal mehr, wie wichtig dieses Künstlervorbild stilistisch und thematisch für Richard Müller gewesen ist. Die in seinem Werk allgegenwärtige Zwiesprache zwischen Weib und Tier wäre beispielsweise ohne Klingers bahnbrechenden Surrealismus kaum denkbar.

  1. Richard Müller: In der Mittagssonne, 1919, etching, 527 x 360 mm, 17 and 85 impressions.
    see: Rolf Günther: Richard Müller, Leben und Werk mit dem Verzeichnis der Druckgraphik, Dresden 1995, no. 96
  2. Corinna Wodarz: Symbol und Eros, die Bildwelt Richard Müllers (1874-1954), including the catalogue raisonné, Göttingen 2002
  3. Max Klinger: Eine Gesandtschaft, 1882, oil on wood, signed and dated, 37 x 63 cm, Museum der Bildenden Künste, Leipzig, inv. no. 1297