Studie eines stehenden, weiblichen Aktes
  • Richard Müller
  • Tschirnitz / Böhmen 1874 -1954 Dresden
  • Studie eines stehenden, weiblichen Aktes
  • Schwarze Kreide, partiell gewischt, auf beigem Papier, alt beschnitten und hinterklebt
  • signiert: Rich. Müller
  • 403 × 173 mm

In der klassischen Tradition der Akademie-Ausbildung kehrte Richard Müller selbst auch immer wieder zurück zu den Grundlagen seiner zeichnerischen Perfektion, der Darstellung des menschlichen Körpers in verschiedensten Posen. Vor diesem Hintergrund ist wohl auch vorliegende Studie einer stehenden jungen Frau mit erhobenen Armen zu sehen. In herrlichem Sfumato skizzierte Müller den makellosen Körper seines Modells. Durch die erhobene linke Hand und starke Verschattung des Gesichts bleibt die junge Frau anonym. Durch das zum Knoten geflochtene Haar und die weggelassene Stütze des rechten Armes stört nun nichts mehr an dieser idealisierten Darstellung der weiblichen Proportionen. Die Stellung mit Standbein und Spielbein zeigt zusätzlich den im Lehrbetrieb geübten Künstler, dessen Schönheitsideal allerdings ganz dem Geschmack seiner Zeit verhaftet blieb. Gleichwohl hat sich Richard Müller auch nicht dem neuen Körperbewußtsein jener Reformbewegung entziehen können, die seit der Jahrhundertwende immer mehr Anhänger gewann. Besonders durch seinen Künstlerfreund Sascha Schneider (1870-1927) wurde er mit Ideen wie Naturheilkunde und Freikörperkultur vertraut gemacht. Aus den Zwängen des prüden 19. Jahrhunderts drängte es nun den modernen Menschen an die frische Luft und zur Sonne. Müllers Gemälde Wolken ziehen (Abb. 1) aus dem Jahre 1917 setzte einerseits diesen Ideen ein spätes Denkmal, führt uns aber mit dem Nasenbär auch eines seiner bevorzugten Symboltiere vor, das nicht nur in der nächsten Zeichnung eine große Rolle spielt.