Mit der frühzeitigen Entlassung als Rektor der Dresdner Akademie 1935 begann auch Richard Müllers schleichender Niedergang in der Gunst der Zeitgenossen. Den Nationalsozialisten waren viele seiner Arbeiten zu provozierend, zu „undeutsch“ oder schlichtweg unverständlich. Andere, darunter viele jüngere Kollegen, vermissten in seinem Werk den Aufbruch in die Moderne. Allerdings hatte sich Richard Müller schon zu Beginn der neuen Kunsttendenzen nach dem ersten Weltkrieg laut polternd gegen die „dilettantische Schnellmalerei“ positioniert und begegnete jeglicher Abstraktion seither nur mit Ablehnung. Außerdem wurde er negativ beeinflußt von seinem vergötterten Sohn Adrian Lukas, der den Vater schon als junger Mann vermarkten und beraten durfte. Dessen Ambitionen und rechte Gesinnung schadeten dem politisch naiven Vater immer wieder. Schon vor Kriegsende setzte sich Adrian Lukas allerdings nach Südamerika ab und kehrte auch anläßlich des Todes seiner Eltern nicht mehr zurück. 1935 versuchte Müller noch, sich mit dem umfangreichen Zyklus Aus Adolf Hitlers Heimat den neuen Machthabern anzudienen. Später war er sich dann sogar für Kalender-Illustrationen nicht zu schade und schuf von 1936-40 allein über 100 Zeichnungen für vier Ausgaben des Kalenders für das Erzgebirge und das übrige Sachsen. Dabei spielten nicht nur die bekannten Motive der Landschaft eine Rolle, sondern immer wieder auch der Alltag der einfachen Leute, denn Müller fühlte sich trotz des gesellschaftlichen Aufstiegs seiner Herkunft verbunden. Die folgenden Darstellungen aus dem Leben der Landbevölkerung sind für diese Schaffensphase ganz typische Beispiele. Das alte Bauernpaar, welches an einem trüben Herbsttag des Jahres 1935 bedächtigt zwischen den Obstbäumen arbeitet, scheint den zeichnenden Gast neben Ihnen gar nicht zu beachten, der mit malerisch weichen Strich die Szene naturgetreu wiedergibt.
Diesen Gegensatz zu vielen schwungvolleren Momentaufnahmen früherer Jahre verdeutlicht auch die Darstellung des Großen Schweins, das Müller 1917 im Matsch seines Gatters gezeichnet hat. Die Expressivität des kräftigen Strichs wurde hier durch Wischen noch unterstützt, um die Bewegung der Situation auf dem kleinen Blatt festzuhalten. Zu diesem Motiv schuf Müller später ebenfalls eine entsprechende Radierung.