Auch unsere zweite Zeichnung aus der Ruine Bösig akzentuiert die Gegensätze von Licht und Schatten, welche die Durchblicke im Erdgeschoß der Burg dem Künstler boten. Gleichzeitig gaben die Verwundungen des Baus mit seinen aufgerissenen Bruchsteinwänden und fehlendem Verputz Richard Müller hier die ideale Möglichkeit, seine meisterhafte Zeichenkunst unter Beweis zu stellen. Keine noch so kleine Fläche bleibt unstrukturiert und selbst die relative Monochromie der zur Verfügung stehenden Malmittel wie Bleistift und schwarze Kreide wird aufgehoben durch eine unglaubliche Vielfalt an Schattierungen. Der Blick des Betrachters ist leicht aus der Mitte der gestaffelten Türöffnungen gerückt, sodaß eine theatralische Spannung entsteht, die Müller durch ein stetes Wechselspiel der unterschiedlichen Materialitäten der Mauern noch zu steigern wußte.
Im Jahre 1264 hatte der böhmische König Ottokar II. den Bau der Burg Bösig in Auftrag gegeben. Bis 1420 blieb die gotische Anlage dann im Besitz der Krone. Anfang des 17. Jahrhunderts übernahm Albrecht von Wallenstein nach der Schlacht am Weißen Berg die schwer zugängliche Höhenburg und baute diese großzügig aus. Dennoch gelang es später den Schweden, Bösig einzunehmen und teilweise zu verwüsten. Im Sinne Wallensteins überließ Kaiser Ferdinand III. danach die Gebäude Benediktinermönchen aus Prag, die in Bösig ein Kloster mit überregionaler Bedeutung errichteten, welches bis 1785 bestand. Später verfiel die Anlage und wurde als Ruine erst in der Romantik wieder entdeckt. Seit dem 2. Weltkrieg retteten erhebliche Sicherungs- und Renovierungsmaßnahmen den erhaltenen Baubestand.