Schloß Colditz
  • Richard Müller
  • Tschirnitz / Böhmen 1874 -1954 Dresden
  • Schloß Colditz, 1938
  • Zimmermannsbleistift, partiell gewischt, auf Papier
  • signiert und datiert: Rich. Müller 1938
    verso mit Bleistift beschriftet: Schloß Colditz i. S.
  • WVZ-Nr. Z 1938.11
  • 285 × 249 mm

Mit vorliegender Ansicht des sächsischen Schlosses Colditz, einem imposanten Renaissancebau zwischen Hartha und Grimma, reihte sich Richard Müller in eine Reihe namhafter Künstler ein, die diesem pittoresken Motiv seit dem 19. Jahrhundert Tribut gezollt haben. Die sächsischen Kurfürsten übernahmen zum Ende des 15. Jahrhunderts die als kaiserliche Burg gegündete Anlage und bauten sie als Jagdschloß und späteren Witwensitz großzügig aus. 1787 gaben die Wettiner diese Residenz jedoch zugunsten des neuen Schlosses Hubertusburg in Wermsdorf wieder auf und verkauften das gesamte Inventar. Seit dieser Zeit diente die befestigte Anlage mit ihren zahlreichen Gebäudekomplexen verschiedenen Regierungen immer wieder als Irrenhaus und Gefängnis, bis es die Nationalsozialisten schon im Jahr ihrer Machtübernahme 1933 als Schutzhaftlager bzw. für den Reichsarbeitsdienst okkupierten. Im Oktober 1939 wurde dann hier das später berühmt gewordene Kriegsgefangenenlager Oflag IVC als Sonderlager für Offiziere eingerichtet. Zum Zeitpunkt dieser Zeichnung gab es allerdings keine Internierten auf der Schloßanlage, denn Besuche waren offensichtlich möglich, wie die Personen im Vordergrund sowie im ersten Innenhof belegen. Dieses narrative Detail von Figuren im Bild ist allerdings nur ein kleines Beispiel für die schleichenden Veränderungen in Müllers Art der Darstellung in den späten 30er Jahren. Immer häufiger ersetzte er nun das Surreale, was beinahe zum Markenzeichen seiner Kunst geworden war, durch einen Realismus, der fast inszeniert wirkte und in erster Linie die Erwartungen der Beobachter zu erfüllen hatte. Auf dieser Ansicht blickt der Künstler durch den gotischen Hauptzugang des Hinterschlosses, dem sogenannten Flüsterbogen, auf einen ovalen Hof, um den sich noch heute die verschiedenen Renaissancegebäude gruppieren.