Der Albtraum / Das Spukschloß
  • Richard Müller
  • Tschirnitz / Böhmen 1874 -1954 Dresden
  • Der Albtraum / Das Spukschloß , 1939
  • Bleistift und schwarze Kreide, partiell gewischt, auf Papier
  • signiert und datiert: Rich. Müller 1939
  • WVZ-Nr. Z 1939.08
  • 441 × 323 mm

Bereits Ende der 20er Jahre werden die irritierenden und symbolisch aufgeladenen Darstellungen im Werk Richard Müllers seltener zugunsten einer eher realistischen Motivwahl. Um so erstaunlicher ist diese Doppelzeichnung eines veritablen Albtraums von 1939, die beinahe an jene absurden Zwischenwelten des Zeitgenossen Alfred Kubin (1877-1959) erinnert. Obwohl Müller am Unterrand des bildhaft durchgearbeiteten, oberen Teil des Blattes signiert hat, gehören doch beide Darstellungen thematisch zusammen. Ein nackter und angeketteter Fischer wurde offensichtlich gerade mit dem Beil enthauptet, sodaß ihm das Blut noch in Strömen aus dem Hals schießt. Dennoch winkt er als letzte Geste seinem eigenen Kopf hinterher, der schreiend einem Gespenst (oder der Seele?) auf der oberen Bildhälfte durch die Lüfte folgt. Diese absurde Halluzination ist eingebettet in einen märchenhaften Fichtenwald, überragt von einer Burgruine, der erste Bäume aus einem ihrer Türme wachsen. Ein Uhu und eine Eule komplettieren die nächtliche Szenerie im Lichte des Vollmonds. Diese Attribute verweisen allerdings auch auf gängige Motive der deutschen Romantik, wie sie beispielsweise Caspar David Friedrich (1774-1840) in seinen Gemälden immer wieder zitierte. Dem in der Klassik geschulten Richard Müller waren diese Referenzen sicherlich bewußt, weshalb unsere Doppelzeichnung vielleicht auch als albtraumhaftes Geschehen vor einem Bild interpretiert werden kann.

Im Jahre 1910 schuf Müller die vergleichbar skurrile Zeichnung einer nackten Enthaupteten, der Medusa (Abb. 1), welche sterbend zwischen ihren abgeschlagenen Schlangenköpfen am Boden liegt, aber einen Arm noch in erschrockener Abwehr erhoben hält.